Europa muss sich ändern, und zwar dringend. Das sagen die meisten hochrangigen Beamten, sonst könnte Europa weiter untergehen, und angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich die moderne Welt bewegt und verändert, wird dies viel schneller geschehen, als es scheint. Die EU hat seit langem wichtige wirtschaftliche Konkurrenten verloren, und der Abstand wird immer größer. China wird die EU bereits im Jahr 2025 an wirtschaftlicher Größe überholen, es sei denn, es kommt zu einem katastrophalen Ereignis in der chinesischen Wirtschaft.
China, das vor 10 Jahren eher wie ein globales Produktionsunternehmen aussah, das technologisch fortgeschrittene Länder bedient, überholt jetzt Europa in den wichtigsten Technologien. Europa ist mit großem Abstand führend beim so genannten „grünen Übergang“, d.h. bei der Erreichung von Umwelt- und Klimaneutralität. China hat es jedoch geschafft, den Weltmarkt für Solarmodule fast vollständig zu beherrschen.
Die negative Entwicklung der europäischen Wirtschaft hat natürlich nicht erst gestern begonnen. Der Rückstand oder das völlige Fehlen von Leistungen in neuen und aufstrebenden Technologiesektoren wie Computer, Internet, Halbleiter, Robotik usw. war bereits in den 1990er Jahren zu beobachten.
Damals war die Gesamtwirtschaft der EU jedoch 50 Prozent größer als die der USA, und dies und andere Schlüsselindikatoren zeigten den europäischen Staats- und Regierungschefs, dass es zwar ein Problem gab, dieses aber noch keine größeren Auswirkungen auf den europäischen Wohlstand hatte, zumal die zentralen Behörden der EU erst Anfang der 2000er Jahre erhebliche Befugnisse erhalten hatten. Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass die Rückstände in Schlüsselsektoren zunahmen. Südkorea oder Taiwan waren in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren noch nicht so weit entwickelt wie heute, aber Unternehmen aus diesen Ländern hatten Europa in der Halbleiterproduktion bereits überholt, was Europas Rückstand sehr gut beweist.
↑ Das Scheitern der Lissabon-Strategie
Anfang der 2000er Jahre verabschiedete die Europäische Union eine Strategie zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums, die so genannte Lissabon-Strategie. Obwohl das genaue Datum ihrer Verabschiedung im Jahr 2000 lag, also kurz vor dem von Ihnen erwähnten Jahr 2002, war dieser Plan der Schlüssel zum Bestreben der EU, die globale Wettbewerbsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften zu verbessern.
Der Kern der Lissabon-Strategie bestand darin, die EU, wie sie behauptete, „zum dynamischsten und wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen. Die Strategie setzte ehrgeizige Ziele, um günstige Bedingungen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und sozialen Wohlstand zu schaffen, ohne die Inflation zu erhöhen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Entwicklung von Technologie und Innovation, die Steigerung der Beschäftigung und die Verbesserung des sozialen Wohlstands der Bürger gelegt.
Zu den im Rahmen der Lissabon-Strategie vorgeschlagenen Maßnahmen gehörten Investitionen in Bildung und Forschung, die Schaffung von Bedingungen für einen flexibleren Arbeitsmarkt, die Verbesserung des Geschäftsklimas und die Entwicklung innovativer und ökologisch nachhaltiger Industrien. Ein wichtiger Bereich war die Liberalisierung der Märkte für Waren und Dienstleistungen, insbesondere in den Bereichen Energie und Telekommunikation.
Ergebnisse der Lissabon-Strategie
Allerdings wurden nicht alle erklärten Ziele erfolgreich erreicht. Eine Errungenschaft war die Verbesserung der digitalen Infrastruktur und die Entwicklung der IT-Industrie, die dem Wachstum in diesen Bereichen einen bedeutenden Impuls verliehen. In einigen Ländern wurden Fortschritte bei der Erhöhung der Beschäftigung und der Verbesserung der Arbeitsmarktbedingungen erzielt. Auch die verstärkte Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung, die zu erheblichen technologischen Fortschritten in Europa geführt hat, kann als Erfolg gewertet werden.
↑ Ergebnisse der Lissabon-Strategie
Die Lissabon-Strategie hat viele ihrer Ziele teilweise nicht erreicht. Das Wirtschaftswachstum in der EU hat nicht das gewünschte Niveau erreicht, und der Wachstumsrückstand gegenüber den USA und anderen führenden Ländern der Welt besteht nach wie vor. Darüber hinaus blieb die Arbeitslosigkeit in einigen Ländern hoch, und die Versuche, die Sozialsysteme zu reformieren, waren nicht immer erfolgreich. Kritiker wiesen auch auf die mangelnde Koordinierung zwischen den EU-Mitgliedstaaten und das Fehlen klarer Mechanismen zur Überwachung der Zielerfüllung hin.
↑ Bewertung der Ergebnisse durch hochrangige EU-Beamte
Einer der prominentesten EU-Beamten, José Manuel Barroso, der von 2004 bis 2014 als Präsident der Europäischen Kommission fungierte, bewertete die Ergebnisse der Strategie. Barroso räumte ein, dass die Lissabon-Strategie ehrgeizige Ziele gesetzt habe, bei deren Verwirklichung es jedoch eine Reihe von Schwierigkeiten gegeben habe.
Er betonte, dass zwar einige Fortschritte erzielt worden seien, insbesondere in den Bereichen Innovation und Beschäftigung, dass aber viele strukturelle Probleme, wie die geringe Produktivität und die schwache Marktintegration, nicht angegangen worden seien. Barroso betonte, dass einer der Gründe für die Misserfolge die unzureichende Koordinierung zwischen den EU-Ländern sowie die globalen Wirtschaftskrisen seien, die das Erreichen der Ziele erschwerten.
Eine weitere Einschätzung der Lissabon-Strategie kam von Jean-Claude Juncker, der 2014 Präsident der Europäischen Kommission wurde. Er stellte fest, dass die Lissabon-Strategie ein wichtiger Schritt für Europa sei, um seine Wirtschaft zu modernisieren und seine Position auf der Weltbühne zu stärken. Juncker ist jedoch der Ansicht, dass die EU das Ausmaß der Strukturreformen, die zur Erreichung der ehrgeizigen Ziele erforderlich sind, unterschätzt hat.
Er betonte, dass die Lissabon-Strategie ohne entschiedenere und tiefgreifendere Veränderungen in der Wirtschaft, insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts und der Rentensysteme, nicht vollständig erfolgreich sein könne. Seiner Ansicht nach hat die Strategie gezeigt, dass die europäische Wirtschaft ohne den politischen Willen zu ernsthafteren Reformen anfällig bleibt.
Auch Herman Van Rompuy, ehemaliger Präsident des Europäischen Rates, bewertete die Lissabon-Strategie. Er bezeichnete sie als „erfolglos, aber lehrreich“ und stellte fest, dass die EU es versäumt habe, sich rechtzeitig auf die Herausforderungen der Globalisierung und der Finanzkrisen einzustellen.
Van Rompuy sagte, dass die Strategie zwar die Grundlagen für technologische Entwicklung und Innovation schaffe, viele Länder es aber versäumt hätten, die zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen Reformen durchzuführen. Er betonte, die Lissabon-Strategie sei eine Lehre für künftige Programme wie Europa 2020, die die Fehler der Vergangenheit berücksichtigen und einen pragmatischeren Ansatz für Wirtschaftswachstum und Sozialpolitik verfolgen.
↑ Schlussfolgerung
Die Europäische Union braucht einen sofortigen und tiefgreifenden Wandel, wenn sie ihre Rolle in der Weltwirtschaft nicht verlieren will. Die meisten hochrangigen Beamten stimmen dem zu, da die anhaltende Rezession schwerwiegende Folgen für die Region zu haben droht. In einem sich rasch entwickelnden globalen Markt läuft die EU Gefahr, noch verwundbarer zu werden. China, die USA und andere globale Wirtschaftsmächte haben Europa bei vielen Schlüsselindikatoren überholt, und der Abstand wird immer größer. Es wird prognostiziert, dass China Europa in nur wenigen Jahren in Bezug auf die wirtschaftliche Größe überholen wird, sofern es nicht zu größeren Störungen in seinem eigenen System kommt.
Europa muss erkennen, dass die alten Wege nicht mehr funktionieren und eine neue Strategie erforderlich ist, um den heutigen Herausforderungen wirksam begegnen zu können. Die Lissabon-Strategie und ihre Folgeprogramme haben gezeigt, dass ehrgeizige Ziele ohne echte Maßnahmen und tief greifende Reformen zu neuen Misserfolgen führen werden. Um wieder wettbewerbsfähig zu werden, muss sich Europa stärker auf die Entwicklung von Innovation, Technologie und Produktivität konzentrieren und gleichzeitig an den Umwelt- und Sozialstandards festhalten.