Der diesjährige Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ging an Daren Adjemoglu, James Robinson und Simon Johnson für ihre viel beachtete Arbeit zur Erklärung der Ungleichheit zwischen den Ländern. Sie haben ihr Konzept in dem Buch „Why Nations Decline“ vorgestellt. In diesem Artikel fassen wir die Essenz des Buches zusammen.
Menschen in armen Ländern streben eher nach politischen Veränderungen als nach materiellen Verbesserungen. In Why Nations Decline geben die Autoren Beispiele, beginnend mit Zitaten von jungen Demonstranten in Ägypten, die zum Sturz des Regimes von Hosni Mubarak beigetragen haben. Diese Aussagen spiegeln ihre wichtigsten Bestrebungen wider. So hat beispielsweise einer der Anführer der Protestbewegung, der Software-Ingenieur und Blogger Wael Khalil, eine Liste von 12 Veränderungen aufgestellt, die er gerne sehen würde.
↑ Falsche Erklärungen zu den Ursachen von Armut und Reichtum
Alle Forderungen der Demonstranten in Ägypten betrafen ausschließlich den politischen Bereich, während die wirtschaftlichen Probleme des Landes direkt aus der Monopolisierung der Macht durch die Elite resultierten. Die Kontrolle über die politischen Institutionen ließ weder in der Politik noch in der Wirtschaft einen Wandel zu.
Auch wenn die Rolle der Politik auf der Hand zu liegen scheint, führen viele Experten und Professoren in der Regel andere Gründe für das Scheitern der Länder an. Im Falle Ägyptens werden häufig geografische Faktoren, kulturelle Besonderheiten und religiöse Überzeugungen angeführt. Es wird angenommen, dass es in der Gesellschaft nicht genügend Verantwortung für die Arbeit gibt, was die Entwicklung behindert, und dass der Islam, der von der Mehrheit der Bevölkerung praktiziert wird, den wirtschaftlichen Erfolg behindert. Es wird auch argumentiert, dass das Land wohlhabender sein könnte, wenn es effektiver regiert würde.
Die wahren Gründe
Die Demonstranten haben, wie Ajemoglu und Robinson betonen, Recht. In armen Ländern wie Ägypten, Sierra Leone, Simbabwe oder Nordkorea besteht das Hauptproblem darin, dass die Macht von Eliten ergriffen wurde, die die nationalen Ressourcen ausbeuten und der Bevölkerung die Chance auf Fortschritt nehmen. In den erfolgreichen Ländern hingegen wird die politische Macht auf eine Vielzahl von Bürgern ausgeweitet, und die Regierungen sind gegenüber der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig.
Der Hauptunterschied zwischen reichen und armen Ländern besteht dem Buch zufolge darin, dass ihre Institutionen unterschiedliche Anreize für Bürger und Unternehmen schaffen. Diese Anreize, die durch wirtschaftliche Institutionen geschaffen werden, werden durch politische Gesetze und Regeln untermauert.
Die Bedeutung der historischen Erfahrung besteht darin, dass Staaten wie Großbritannien, Frankreich und die USA heute gerade deshalb reich sind, weil sie alle einmal von Gruppen gestürzt wurden, die Macht und Reichtum monopolisierten. Natürlich waren viele Revolutionen einfach ein Wechsel von einer Elitegruppe zu einer anderen. Ägypten wurde von den Osmanen regiert, dann das koloniale Großbritannien von einer Monarchie und danach von einer säkularen Autokratie, während derer es keinen wirklichen Wandel in der politischen Sphäre und daher auch kein Wachstum des Volkseinkommens gab, und doch gab es von Zeit zu Zeit, wie in England 1688 oder Frankreich 1789, keinen wirklichen Wandel in der politischen Sphäre und daher auch kein Wachstum des Volkseinkommens.
↑ Was sind integrative und extraktive Institutionen und wie bestimmen sie direkt Wohlstand und Armut?
Integrative Institutionen sind politische und wirtschaftliche Systeme, die allen Bürgern einen breiten Zugang zu Chancen bieten. Sie ermutigen die Menschen, sich am politischen Leben zu beteiligen, schaffen Bedingungen für einen freien Wettbewerb in der Wirtschaft und fördern Innovationen. In solchen Gesellschaften sind die staatlichen Strukturen den Bürgern gegenüber rechenschaftspflichtig, und die Rechte und Freiheiten werden durch das Gesetz geschützt. Integrative Institutionen ermöglichen es den Menschen, ihr Potenzial auszuschöpfen, was zu Wirtschaftswachstum und Wohlstand führt. Beispiele hierfür sind Marktdemokratien, in denen die Beteiligung aller Gesellschaftsschichten einer Nation zu einer nachhaltigen Entwicklung verhilft.
Das Gegenteil von integrativen Institutionen sind extraktive Institutionen, die Macht und Reichtum in den Händen eines begrenzten Kreises von Eliten konzentrieren. Solche Systeme schränken den Zugang zu politischen und wirtschaftlichen Ressourcen für die Mehrheit der Bürger ein, und ihr Hauptzweck besteht darin, die privilegierte Stellung der herrschenden Gruppen zu erhalten. Extraktive Institutionen behindern das Wirtschaftswachstum, weil sie nicht an Innovation oder Chancengleichheit interessiert sind, sondern versuchen, die Kontrolle zu behalten und Ressourcen aus der Gesellschaft zu gewinnen.
Der Zusammenhang zwischen der Art der Institutionen und dem Wohlstandsniveau einer Gesellschaft ist eindeutig. In Ländern mit integrativen Institutionen wächst die Wirtschaft, weil die Bürger motiviert sind, sich an der Wirtschaftstätigkeit zu beteiligen, neue Ideen einzubringen und Werte zu schaffen. Extraktive Institutionen hingegen hemmen die Entwicklung, weil sie die Menschen davon abhalten, für das Gemeinwohl zu arbeiten, indem sie die Ressourcen in den Händen einiger weniger konzentrieren. Dies erklärt, warum Länder mit integrativen Systemen in der Regel reich sind, während Länder mit extraktiven Institutionen oft arm sind.
↑ Schlussfolgerung
Das Buch Why Some Nations are Rich and Others Poor (Warum einige Länder reich und andere arm sind) bietet eine grundlegende Perspektive auf die Unterschiede im Wohlstand der Nationen und stützt sich dabei auf die Theorie der integrativen und extraktiven Institutionen. Die Autoren, Adjemoglu und Robinson, argumentieren, dass der Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg oder Niedergang in den politischen und wirtschaftlichen Systemen liegt, die die Chancen der Bürger bestimmen. Integrative Institutionen, die einen gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen und Chancen bieten, führen zu langfristigem Wohlstand, während extraktive Institutionen, die von Eliten beherrscht werden, die Entwicklung behindern. Die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises zeigt, wie wichtig diese Arbeit für das Verständnis globaler Wirtschaftsprozesse und die Suche nach Wegen zu nachhaltigem Wachstum für alle Länder ist.